„Ach, das ist also dein Stil?“ „Wow, du bist ein echter PvP Profi“ „Warum suchst du dir nicht mal jemanden der kein wehrloser Miner ist?“
Ich muss meine Kinder ernähren
Chance Ravinne hat es nicht einfach. Die Bedingungen für ‚unconsensual PvP‘ werden immer schlechter. CCP weicht das Gameplay auf – und schlimmer noch, die Leute machen sich schlau, lernen nach und nach die Mechaniken, und tanken plötzlich Schiffe die vorher auf maximalen Ertrag gefittet waren. Ein Dilemma, schließlich will er doch auch nur das was alle wollen: Spielspaß.
Und wenn er dann endlich mal einen Kill erzielt, und seine ‚Torpedo Delivery Service‘ Nachrichten verschickt, dann bekommt er statt einer cleveren RP-Antwort auch noch Vorwürfe.
Unmoralisch sei sein Verhalten, die wehrlosen Explorer / Miner / Hauler / Corpies kaltblütig abzuschießen. Wie kann er das nur tun? Tja, wie nur?
Jedem seine Moral
Eigentlich ist es nicht so schwer wie es klingt. 😉 Für Chance ist klar – Eve ist ein Spiel. Die Ego Alter der Spieler, die Stationen, die Schiffe, das Geld – alles ist fiktiv. Und damit im Rahmen der Spielmechaniken Spielzeug, auf das man schon per Definition keine unmoralischen Handlungen anwenden kann. So wie man bei Street Fighter nicht mit-leidet, und bei The New Order mit den Nazis nicht deren Verluste beweint, so sieht er auch kein Problem darin den Spielern ihren Besitz unter den Hintern wegzuschießen.
Verlust macht auch schlau. Jedes verlorene Schiff brachte ihm Wissen über den Hergang: „Halt dich aus der Reichweite der Webber“ oder „Achte auf deinen Überhitzungsschaden“ sind Lektionen die man im Spiel kennen sollte. Wenn also Spieler zu nah an der Hacking Site sind um sich zu tarnen, oder ungetankt im Asteroidengürtel stehen (!), dann fehlt vielleicht das ein oder andere bisschen Wissen.
Wehrlos i.S.v. ’nicht fähig zur Gegenwehr‘ sind jedoch die wenigsten. Schließlich kann jeder sein Schiff, sein Fit und sein Vorgehen frei wählen. Nur entscheiden sich viele Spieler zur Wehrlosigkeit, aus Unwissen, Profitgier oder Faulheit. Das klappt in vielen Fällen auch, in manchen aber eben nicht. Er sieht sich selbst nicht als grausam, eher als hilfreich, und natürlich als spielspaß-orientiert.
Was andere abschreckt, macht dich reich
Grausam würde ich das auch nicht nennen. Die Torpedo-Liefer-Mails sind recht amüsant, vor allem wenn man nicht selbst betroffen ist. Aber klar, Verlust tut weh. Ohne Verlust würde aber auch Gewinn keinen Spaß machen. Ich bin weit entfernt davon anderen Spielern (im HighSec) ungewolltes PvP aufzudrängeln (in allen anderen Gebieten müssen sie damit rechnen). Aber ich habe nach dem Lesen seines Artikels zumindest ein gewisses Verständnis für die Sicht all der ‚Piraten‘ da draußen.
Und was man schnell vergisst: Ja, tatsächlich werden auch PvPler abgeschossen. Sogar wesentlich häufiger als non PvPler. Allerdings haben die sich mit dem Verlust abgefunden, und bis auf HighSec-Frachter-Ganker wird man mit PvP nur selten reich. Die Frage nach der Moral ist schon vielschichtiger.
Moral ist eine Kategorie die für das Handeln in Spielen normalerweise nicht greift, denn hier versucht jeder zu gewinnen. Wäre EVE Tetris, wäre es keine Frage dass jeder die maximale Punktzahl anstrebt, auch und vor allem wenn er gegen andere Spieler spielt. Eve ist aber nunmal Eve, und hier fehlt der absolute Messbetrag an ‚Spielerfolg‘. Und wenn jemand sein Spielziel darin sieht innerhalb der Mechaniken (und ohne out-of-PvP Harassment) andere Spieler abzuschießen – so what? Die Tatsache dass das in EVE möglich ist und gemacht wird, weiß jeder der schonmal von Eve Online gehört hat. Nur glaubt es mancher erst, wenn er es selbst erlebt – und das ist schade.
Zu guter Letzt noch ein Argument, welchem sich auch der überzeugteste Carebear nicht verschließen kann: je gefährlicher der Beruf, desto höher der Gewinn. Jeder abgeschossene Trader lässt deine Preise steigen, jeder erlegte Miner senkt die Versorgung mit Mineralien. Insofern muss es jeden non PvPler beruflich freuen, wenn Jagd auf seine Kollegen gemacht wird. Und wenn er selbst getroffen wird, gibt es nichts Klügeres als – im Gegensatz zu den weniger zielorientierten Kollegen – dazuzulernen und weiterzumachen. Es lohnt sich.
Lehrreiches Sterben,
Kandoli