Das Kleinkind mit Mamas Fön, der Jugendliche in der Punk-Band, der Mittdreißiger im Porsche, der Opa auf dem Motorrad – alle haben eines gemeinsam: sie suchen nach einem Sinn. Auch in Eve Online können wir uns der Sinnfrage nicht entziehen. Sind die ersten Wochen und Monate noch erfüllt von ‚Wie funktioniert das alles hier?‘, stellt sich schnell die Frage ein ‚Was soll ich hier?‘.
Wir ham noch lange nicht genug..
Es ist aber auch nicht einfach mit dem Ziele setzen. Ein nacktes Newbro-Baby wird in die Schlangengrube New Eden geworfen, mit den freundlichen Worten ‚mach was draus‘. Zunächst geht es ihm vor allem darum, die Regeln zu verstehen, allem voran natürlich die Grenzen des Systems ‚Eve Online‘. Die sind nun bekanntermaßen weit gesteckt, so dass es damit eine Weile zubringen wird. Der zweite Schritt – die Sinnsuche – ist gemäß der weiten Regeln dann auch gar nicht so leicht. In Tetris (jup, ich mag das Beispiel :D) ist das weit weniger schwierig, die Mechaniken sind schnell verstanden und die Herausforderung liegt dann nur noch in der steigenden Geschwindigkeit. Es gibt auch keinen persistenten Fortschritt – endet das Spiel, beginnt ein völlig neues Glück – ohne Altlasten der bisherigen Fehler.
Nun .. ihr ahnt es, Eve Online funktioniert da nicht ganz so. Hier macht es wesentlich mehr Arbeit einen Sinn zu finden als in Tetris, was v.a. an den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten liegt, die der New Eden Bewohner in die Hand bekommt. Wenn unser Beispiel-Baby also die ersten Tage übersteht (und wie wir wissen, gelingt das nicht allen), wird es sich schnell fragen ‚Ok, ich weiß wie man nicht bei jedem Undock stirbt. Aber was nun?‘. CarlGustav schreibt auf TMC in einem interessanten Artikel über dieses Problem, und wie er selbst es zu lösen gedenkt.
Die meisten Anfänger versuchen sich in der beängstigenden und unübersichtlichen rauen Welt auf irgendwas zu fokussieren an dem sie sich und ihren Fortschritt im Spiel festmachen können – allen voran das liebe Geld. Als eine der knappen Ressourcen neben Zeit (vergeht von allein) und Skillpunkten (kommen von allein), sind die lieben ISK für viele in den ersten Monaten der Schmerzpunkt schlechthin. Was läge da näher, als sich erst mal in Ruhe dem Verdienen der ISK zu widmen? Und das natürlich so viel wie möglich so schnell wie möglich – ISK sind schließlich nur Mittel zum Zweck, man braucht halt erst mal nur einen ganzen Batzen um dann das eigentliche Spiel zu spielen.
Also werden nach den ersten wackeligen Schritten in den verschiedenen Professionen dann irgendwann Faction-Fits auf Marauder gepackt (ok, nicht in den ersten Monaten, aber ihr versteht was gemeint ist), werden optimale Wege durch Explo-Hackings ausgetüftelt oder nachgelesen, werden Erzmengen mit Excel kalkuliert und Ratting-Setups für Wurmlöcher aufgesetzt. Man verschreibt sich völlig den viel diskutierten ISK / Stunde. Schlimmer noch, jeder der ‚einfach mal minern geht‘ wird schräg angesehen – denn er holt ja gar nicht das maximale Potential aus seiner Zeit! Im weiteren Verlauf verliert die erste Million ihren Reiz, später auch die erste Milliarde. Nebenbei sorgt die Möhre ‚Account plexen‘ für stetigen Druck, den hohen ISK Gewinn gefälligst auch aufrechtzuerhalten. Und irgendwann vergisst man, dass das ISK verdienen doch eigentlich nur als ‚erstmal‘ gedacht war, dass danach ja noch was anderes wartete – das eigentliche Spiel. So macht man weiter wie bisher, bis man die Lust verliert.
Ich selbst habe das auch so gemacht, und muss sagen – diese Optimierungsstrategie (geht natürlich auch mit Prodden, PI, Ratten, Killboards und – im Goonperium – PAP Stats) funktioniert auch erstaunlich lange. Irgendwann kommt jedoch bei den meisten die Ermüdung. Auf der Suche nach optimalem Ergebnis blieb versehentlich der Spaß auf der Strecke. Auf dem Weg zum Optimum gibt es (oller blöder abnehmender Grenznutzen) für jedes weitere % Aufwand einen immer geringeren zusätzlichen ‚Erfolg‘. Kurz: es wird immer mühsamer, besser zu werden. Und es ist anstrengend, das hohe Level zu halten.
Denn die Ratting-Rattlesnake ist natürlich Gank-gefährdet, die durchoptimierte PI-Kette ist arbeitsintensiv. Mühsam aufgebaute Trade-Ketten verlangen regelmäßig Aufmerksamkeit, und Killboards verzeihen irgendwann keine Fehler mehr. Und da haben wir auch schon genau das Problem. Denn aus dem selbstgeschnürten Optimal-Korsett will man nicht mehr raus, es macht aber auch keinen Spaß drin zu bleiben.
Der Fluch der Metrik
Aber wie konnte es dazu kommen? Die Theorie: wir haben uns zu sehr auf das Messbare konzentriert. K/D Raten, ISK Kontostände, Ticks – das sind in erster Linie natürlich Maßeinheiten für den Erfolg (sog. Metriken). Wer sich ihnen verschreibt, landet schnell in der Spirale
- Oh, ein neues Spiel, aber ich kann ja noch nix
- Ah, hier geht’s um ISK / Kills
- Oha, ein besseres Modul / Schiff bringt mehr davon – super! (Zufall)
- Ah ja, optimal wäre also es so zu machen. (Plan)
- So, jetzt ist es perfekt. Aber Spaß machts nicht wirklich.
Nicht zu vergessen: Erfolg in einer Metrik heißt nicht nur ‚messbar‘, sondern meist auch ’nachweisbar‘ (wie im Fall der Killboards). Man bewundert natürlich nicht v.a. selbst seine Kills, sondern stellt diese prominent im Internet aus – die anderen sollen ja zittern und bewundern! Die Rattlesnake am Gate wird natürlich auch von den anderen gesehen (jetzt sogar in bunt)! Aber dieses Streben nach Ruhm und Geld ist eben relativ inhaltslos, wenn es zum Selbstzweck wird.
Denn um Metriken zu bedienen, muss man diszipliniert selbst auferlegte Regeln befolgen. Der Mangel an Abweichung und Abwechslung jedoch, genau der tötet den Spielspaß. Denn irgendwas immer und immer wieder regelkonform zu tun, verhindert auch das letzte bisschen Motivation. Was wir im Job zu vermeiden suchen, bürden wir uns im Privaten ‚freiwillig‘ auf.
Spaß macht, was nicht sein muss
Nun könnte man einwenden – ‚Aber, aber mir macht es unglaublichen Spaß den ISK Stand auf meinem Konto wachsen zu sehen!‘ Und ich vermute dass das für einige sogar stimmt. Die Mehrheit allerdings verliert früher oder später die Lust an den Zahlen. Das ist der Punkt, wo etwas anderes den Grind-Train ersetzen muss. Von fast allen Langzeit-Spielern habe ich bisher gehört, dass es Ihnen mittlerweile fast nur noch um soziale Kontakte geht, wenn sie einloggen. Hier ist es das Quatschen und Chatten was die Leute online hält. Unter Hinzunahme von Slack, Twitter und Blogs müssen sie dazu nicht mal mehr einloggen.
Einige wenige jedoch schaffen ganz unabhängig davon den Ausstieg aus der Metrik-Spirale, und halten sich das Spiel interessant indem sie bewusst aus dem Korsett des Optimums ausbrechen.
Ja, sie stehen dann nackt da. Beunruhigend fehlgeskillt, suboptimal gefittet und im K/D überhaupt nicht vorzeigbar. Aber sie haben Spaß. In kleinen Frigate-Roams im Low. In Drunk-Fleets im Null. Wenn sie mal ab und an einen guten Fang beim Trading machen. Wenn sie ihre Produktions-Sammlung völlig ohne sinnvolle Verkaufsmöglichkeiten um die letzte noch fehlende T1-Frig vervollständigen konnten. Idealerweise um sie 5 Minuten später in einem völlig unausgeglichen Fight gegen die Wand zu fahren. Und für die gefitteten Snowball Launcher gibts dann noch ein ‚GF‘ (good fight) im Local und einen aus Sympathie beendeten Wardec (siehe Signal Cartels Hug Fleets).
Das ist die Einstellung die ihr (wieder) finden müsst, wenn ihr überlegt wegen zu wenig Spielspaß auszusteigen. Denn Spaß könnt ihr sicher haben, ihr müsst ihn nur zulassen.
Also Proletarier aller New Eden Regionen, befreit euch vom Korsett des Selbstoptimierungs-Wahns, findet den Spielspaß wieder und macht Dinge die keinen Sinn machen.
Dabei viel Erfolg,
Kandoli
Source: Is ISK/hour the most important goal in PvE? | TheMittani.com
Irgendwie bin ich nie in diese Spirale geraten und ich vermute es hat damit zu tun, dass ich passionierter Rollenspieler bin. Es ging nie um ISK (Die kamen von alleine) sondern um die Geschichte von Karak Bol. Highsec-Miner, Nullsec-Scanner, Lowsec-Frig-PvPler, Scout, Drogenbaron, Händler, Corpdirektor, Highsec-Miner, Lowsec-Experimentator und schließlich CEO waren grob meine Stationen.
Mein Trading betreibe ich nach dem Motto: Genug für Plex + Spielzeug und das reicht mir. Gut genug ist gut genug und so 😉
Dann bist du also einer dieser Glücklichen. ^^ Klingt wie eine spannende EVE-Karriere!
Ich war nie einer der Typen die sich zu Tode optimiert haben. Ich bin z.B. aktiver EFT Verweigerer. Statt stundenlang nach dem optimalen Fitting zu suchen schraube ich mir Kram auf das Schiff und schaue in echt ob es was taugt. Macht viel mehr Spaß als dieses herum gerechne in Tools die nichts mit EVE gemein haben.
Ich fliege Missionen nicht wegen der ISK, ich miner nicht wegen der ISK. In fact schmeisse ich Milliarden einfach so zum Fenster raus und finde es geil weil es einfach Bock bringt mit meinen Leuten Spaß zu haben.
Ich bezeichne mich nicht ohne Grund als ältesten Noob von EVE, denn ich weiß wenig über die Spielmechaniken und bin glücklich damit :o)
Also entweder ist meine Leserschaft als Langzeit-Spaß-Haber nicht repräsentativ, oder ich bin de facto der Einzige mit dieser Erfahrung *lol*