Fait accompli

Bix Arramida musterte das Schiff, dass bewegungslos – leblos – einige Kilometer entfernt lag. Es war eine Luxusyach, hergestellt von der Viziam Gesellschaft. Eine alte Version; vor einem halben Jahrhundert mal beliebt gewesen. Die zahlreichen Pockennarben auf der Hülle und das abgewetzte Metall deuteten darauf hin dass das Schiff hier bereits für ungefähr diesen Zeitraum trieb. Es war außerdem unmittelbar offensichtlich dass die Jacht hier nicht gestoppt hat um den Passagiere den Ausblick bewundern zu lassen; tiefe Narben, die nicht der Erosion entstammten, zogen sich quer über die Hülle, und der Ausblick hier war weit entfernt von spektakulär. Tatsächlich war das Schiff so weit entfernt von jeglichen Siedlungen oder stellaren Objekten dass die Chance es ohne exakte Koordinaten zu finden ungefähr so gering war wie auf dem Meeresboden nach einer Prise Sand zu suchen. Aber Arramida hatte die genauen Koordinaten. Sein Wohltäter hat sie ihm gegeben.

Nicht zu wissen wer dieser Wohltäter waren ärgerte Arramida immer noch maßlos. Er wusste nur seinen Vornamen, Norid, und dass er Amarr war wie er selbst. Aber darüber hinaus wusste er nichts. Ein paar Monate zuvor trat Norid über Untergrundkanäle an ihn heran. Das Jobangebot war einfach – im Rethan System zu bestimmten Koordinaten reisen und alle Leichen aus einem verlassenen Schiff zu bergen. Die Leichen sollte er dann zu einer bestimmten Klonanlage auf Rethan V bringen und sie dort abliefern. Das war alles. Keine Erklärungen. Aber die Menge an Geld die Norid anbot ließ Erklärungen in den Hintergrund treten.

Arramidas Sensoren zeigten Lebenszeichen auf dem Schiff. Weitere Scans offenbarten insgesamt 15 Menschen – nach wie vor gefangen im Cryo-Schlaf nach all dieser Zeit. Arramida musste sich wundern wer dieses Schiff vor so langer Zeit angegriffen hat, und warum eben jener Angreifer sich nicht darum gekümmert hat den angefangenen Job zuende zu bringen. Arramida hatte keinerlei Ausrüstung um auf das Schiff zu gehen und die Körper zu bergen, aber ein paar vorsichtige Schnitte mit der Laserkanone schnitzten das Schiff exakt an den richtigen Stellen. Dann ging es nur noch darum einige Bergungsdrohnen hineinzuschicken um die Cryo-Container aufzunehmen. Dieses raue Vorgehen tötete die Schlafenden im Normalfall, aber der Job erforderte nicht irgendwelche Überlebenden mit zurück zu bringen, also kümmerte er sich nicht weiter darum.

Arramida brachte schnell die Container in sein Schiff, und achtete darauf die Körper nicht zu beschädigen. Norid hatte sich sehr deutlich ausgedrückt, dass keines der Güter beschädigt werden durfte. Aus einem nachträglichen Einfall heraus sammelte Arramida noch einige Frachtcontainer aus dem Wrack – daran konnte nichts falsch sein, sich noch ein bisschen was extra zu verdienen, dachte er sich. Sobald er fertig war, setzte er Kurs auf Rethan V um die Körper abzuliefern und seine Belohnung zu erhalten.

In dem Augenlick als Arramida von der Station abdockte schickte er eine Nachricht an Norid, und teilte ihm mit dass der Job erledigt war. Dann schmunzelte er über das Vermögen dass er für diesen simplen Job verdient hat, und machte sich auf den Weg zur nächstgelegenen Freizeitstation.

Norid las die Nachricht von Arramida noch einmal mit Freude. Endlich geriet der finale Teil seiner Rache in Bewegung! Deren süßer Geschmack, nach all diesen Jahren der Verschwörung und der Planung, schüttelte seinen gebrechlichen alten Körper. Natürlich war Norid nicht sein echter Name. Er würde seinen echten Namen einem Dummkopf wie Arramida niemals offenbaren. Aber Norid war ein guter Name, vielleicht würde er ihn weiter verwenden, wenn das hier erst vorbei war. Ja, das war eine gute Idee, entschied er. Es unterstrich auf schöne Weise den Neuanfang den er machen würde nachdem die Tat vollbracht war, wenn er endlich seine Fesseln abwerfen und wie ein Phönix zu seinem früheren Glanz aufsteigen konnte.

Norid sandte eine schnelle Nachricht an die Klonstation, und gab ihnen die notwendigen DNA Informationen um den Körper zu lokaliseren der ihm zugeschickt werden sollte. Den Rest konnten sie als Zahlung für ihre Dienste betrachten. Der Körper den er wollte würde in zwei Tagen eintreffen. Gerade als er die Nachricht verschickt hat, rief ihn sein Herr. Es war Zeit für den Herrn, seinen Tee zu trinken.

Norid war ein Sklave. Er war ein Sklave für fast ein Jahrhundert. Er wurde langsam alt, aber die Implantate die er aus seiner Zeit als Halter noch hatte, tickten nach wie vor klaglos. Norid fühlte sich sicher nicht 2 Jahrhunderte alt. Ab und an brauchten seine Implantate ein wenig Pflege, aber sein Herr war freundlich genug sie zu ermöglichen. Wenn er nur wüsste dass er Norid auf diese Weise dabei unterstützte, an ihm selbst Rache zu nehmen.

Norid schlurfte den Korridor entlang und trat in das Arbeitszimmer. Sein Herr hätte auch Dienstleistungsroboter oder automatische Androiden einsetzen können, aber wie alle Amarr-Halter wollte war er auf die Seriösität aus, die es mit sich brachte einen Sklaven zu halten. Norid nahm es ihm nicht übel – bald würde er selbst Sklaven halten.

Norid musterte seinen Herrn. Er war alt, sogar älter als Norid, und einst waren die beiden erbitterte Rivalen vor Ardishapurs Gericht. Sogar nach all dieser Zeit konnte Norid immer noch den Hass durch seine Adern fließen fühlen – Hass auf diesen Mann wegen dessen was er Norid und seiner Familie angetan hat. Zerquetscht wie kleine Holzdübel in der politischen Maschinerie, wurden sie um ihre Titel, ihren Wohlstand und ihre Abstammung gebracht, und dann wie gewöhnliche Sklaven verkauft. Seine Frau und sein Spohn haben im Zwangslager nicht lange überlebt. Aber er hatte überlebt, am Leben gehalten von seinem Hass auf den Mann der für seinen Ruin und für den Tod zweier geliebter Menschen verantwortlich ist.

Jahrelang hatte Norid seinen Hass genährt, ihn benutzt um weiterzumachen – weiter Richtung Rache. Langsam aber sicher hat er sich seiner Nemesis angenähert, bis er in den Dienst als Betreuungssklave antrat. Sein Herr erkannte Norid nicht – er wusste nur dass er ein früherer Halter war. Einen früheren Halter als Sklaven zu halten fütterte die Eitelkeit des Herrn nur noch mehr.

Während der Jahrzehnte hatte Norid den Niedergang seines Herrn geplant. Der Tod war nicht genug. Etwas Aufwändigeres war nötig – eine poetische Gerechtigkeit. Und jetzt trug der Plan Früchte. Der Körper des Sohns seines Herrn war auf dem Weg – gerettet aus dem Schiff das Norid vor so langer Zeit sabotiert hatte, wo er in seinem kalten Grab wartete bis er für Norids Pläne nützlich sein würde.

Jetzt war die Zeit gekommen. Über Jahre hinweg verbarg Norid sich in den Schatten, und nagte an der politischen und finanziellen Stärke seines Herrn. Alles was jetzt noch fehlte war ein kleiner Stoß um den Ruf seines Herrn ein für allemal zu zerstören, ihn komplett zu ruinieren so wie Norid selbst einst ruiniert wurde. Aber das war nicht genug. Norid lächelte beim Gedanken an das, was kommen würde.

Sein Herr bemerkte es, während der an seinem Tee nippte.

„Warum lächelst du wie ein Narr?“ fragte er streng. Norid neigte leicht den Kopf. „Weil ich mich freue Ihnen berichten zu können dass ich einen passenden Ersatz für den Klong gefunden habe, der ihnen letzte Woche zerstört wurde,“ antwortete er. „Er wird in zwei Tagen fertig sein.“

‚Ja‘, dachte er. ‚und dann werde ich töten, und du wirst im Körper deines Sohns erwachen, und dann werde ich dich ruinieren und deinen Platz einnehmen.‘ Norid begann wieder zu lächeln und servierte seinem Herrn eine weitere Tasse Tee.

https://wiki.eveonline.com/en/wiki/Fait_Accompli_(Chronicle)

 

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