Trauriger Sensationsjournalismus

Die eine Seite heizt an, die andere Seite kühlt ab. Und raus kommt ein lauwarmer Wind der die Tendenz nur noch am Geruch zeigt.

Dirk MacGirks Sorgen

Dirk veröffentlichte in einem Pre-Aegis Artikel große Besorgnis über die kommende Sov-Änderung (die ja im Juli erst so richtig in Fahrt kommen sollte). Die Überschrift ist reißerisch und liest sich wie die Headline eines Pazifisten-Artikels kurz vor dem Weltkrieg. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen hat sie sogar Anleihen an einen offenen Brief. Jener wird im Normalfall benutzt, um über Massenmedien sonst unerreichbare Entscheider zu erreichen, und auf oft unangesprochene Missstände aufmerksam zu machen.

 

Deswegen wünscht sich Dirk mehr Belohnungen für NullSec-Bewohner, weil das Leben dort wesentlich anstrengender wird als bisher.

Jan Irvams Befürchtungen

Jan erkennt richtig, dass Dirk das neue Sov nicht mag. Er vermutet hinter Dirks Ausdrucksweise aber nicht so sehr den Willen zu informieren / reformieren, sondern vor allem den Drang auf den Hype Train zu springen und damit Klicks / Geld / Fame zu erlangen.

Jan beklagt dass die komplexen Zusammenhänge im Spiel völlig außer Acht gelassen werden. Laut ihm darf man nicht vergessen dass das NullSec nur einer von vier Lebensräumen in New Eden ist, und die Sov-Mechanik nur ein Teil des Lebens im NullSec. Er wendet sich auch generell gegen den unterschwelligen ‚Eve stirbt‘ Ton und verurteilt die impliziten und expliziten Drohungen seine Abos zu kündigen.

Es begrüßt im Gegenteil die gesunkenen Spielerzahlen auf dem Server als Erfolg gegen ‚Alts Online‘ (durch Multiboxing und RMT künstlich aufgepustet), welche aber durch ihre Tätigkeit dem echten Spieler und seiner Motivation geschadet haben. Er mahnt zur Besonnenheit und führt als Beispiel einen Freund an der Eve noch vor Aegis verließ, nur weil er aufgrund des Sad Hypes in puncto Aegis Sov annahm alles geht am 07.07. den Bach runter. Als Neuling kann man nicht unbedingt wissen, dass fast jede Erweiterung von Bitterkeit begleitet wird, und die New Eden Welt sich bisher immer weiter drehte.

Was man daraus lernen kann

Einfach? Nö, aber einfacher als Dominion-Sov.

 

Ich denke Dirks Beitrag war sensationsheischend, ja. CCP hat wirklich oft und ausführlich die Gedanken und Ziele hinter dem Sov-Revamp erklärt. Und während der ganzen Zeit gab es bis heute unzählige Kanäle wo etwaige weitere Bedenken geäußert und diskutiert werden konnten. Letzten Endes können diese Gesprächsangebote aber nur als ‚Recht auf Anmerkung‘ verstanden werden, denn ob Änderungen umgesetzt werden und wie, kann und sollte CCP nicht in Dirks Hände legen.

Denn Dirk denkt vor allem an eines: an sich. Und seine Corporation, und mit viel Glück noch an seine Allianz. Das ist grundsätzlich kein Problem, so lange Dirk nicht den Anspruch erhebt allein über spieldesign-technische Änderungen zu entscheiden. CCP nämlich muss an die Spielerschaft als Ganzes denken. Und wenn von 280.000 Accounts 50 User aufstehen und laut schreien, erwarte ich von CCP (glücklicherweise mit Recht) genügend Augenmaß um auch hinter die Schreienden zu schauen und die Stimmung der echten Masse einzufangen (die neben Bitterkeit eben auch gleichgültig oder positiv gestimmt sein kann).

Für dieses Meinungsbild sind die Forenthreads da, das CSM und die Fanfest-Roundtables. Und ich finde es gut so. Dementsprechend war mir Dirk nach dem Lesen seines Artikels auch wesentlich weniger sympathisch als davor. Das führte dann eher dazu dass ich seine Meinung nicht mehr so relevant einschätzte, womit er zumindest bei mir an Einfluss verlor – eigentlich das Gegenteil seines Ziels, vermute ich. ^^ Aber was genau hat er denn eigentlich bemängelt?

Ihm geht es überraschenderweise gar nicht um Grundsätzliches, sondern vor allem um Ausgewogenheit.

Seine Sorge ist hierbei die befürchtete Asymmetrie in Richtung der Angreifer, eine Art Troll-Sov die das Leben für die Einwohner des NullSec unerträglich machen werden. Er beklagt durch das neue System ein Maß an Instabilität, welches dem Sov-Holder jederzeit alles abverlangt und das Spiel des NullSec Bewohners vollständig ruiniert. Stetige Bereitschaft (innerhalb der vorgesehenen Timer) seinen Raum zu verteidigen, und damit verbunden das Risiko bei eigenen Angriffen einen Kampf im eigenen Hinterland zu verlieren – das überfordert große wie kleine NullSec-Entitäten.

Ja, klar werden die Null-Seccer mehr gefordert. Aber war das nicht genau das Ziel? Das weniger Zeit für ISK-Grinden da ist und mehr Zeit in aktives PvP gesteckt werden muss, um dauerhaft im NullSec zu bestehen? Die Statik und relative Unangreifbarkeit hatte man ja mit Aegis-Sov auch aufs Korn genommen. Die Kritik ist daher vollkommen berechtigt, aber unerwartet dürfte das Ergebnis nicht sein. Selbst wenn heutige NullSec-Bewohner ihre Heimat verlassen weil ‚es sich für den Aufwand einfach nicht lohnt‘ (was – wie wir heute wissen – nicht im Entferntesten passiert ist), werden sich sicher andere Spielergruppen finden welche die mageren HighSec Belts satt haben.

So ändert sich New Eden, seine Mechaniken und die Spielerverteilung in einem kontinuierlichen Prozess – und endlich bezieht das auch das NullSec ein. Super! 😀

Epilog

Es ist schon ziemlich unangenehm seine Wirkung auf die Öffentlichkeit zu überschätzen. Das kann echt peinlich enden. Noch viel ekliger ist es jedoch, seine Macht zu unterschätzen. Dann lässt man sich möglicherweise zu Dingen hinreißen die man im vollen Bewusstsein der mitlesenden Massen gar nicht gesagt oder geschrieben hätte.

Es ist außerdem wesentlich leichter einem Chor der Kritiker beizutreten als einem Chor der Befürworter. Kritiker sind nicht nur lauter und damit präsenter, sie haben auch immer eine angedichtete Aura von Intelligenz und Hintergrundwissen, die ihm bar jeglicher realen Entsprechung (in Bezug auf Restaurants, Buch, oder eben Spiele) erstmal vorab unterstellt wird. Der Befürworter jedoch wird leicht mit Naivität und Blindheit belegt, eine Stimmung von Tinfoil-Intelligenz breitet sich aus (wer nicht meckert, denkt nicht).

Ich lese Nordlicht und denke mir, verdammt, da ist wieder jemand von dem Bittersperg-Forum-Rotz zu einem negativen Eindruck gekommen – denn wenn so über das System geschimpft wird, kann auch der kleinste Hauch von Interesse bei den Out-Of-NullSec-Spielern (nur durch die Art der öffentlichen Diskussion!) zerstört werden. Und natürlich schließt sich hier der Kreis ‚dass man es gar nicht erst versuchen braucht‘.

In diesem Sinne eine Bitte an alle die sich öffentlich äußern (und das tun fast alle von uns): wenn ihr Sorgen habt, äußert sie. Bevor ihr aber etwas verreißt, macht euch schlau oder wartet (im Idealfall) einfach mal ab ob alles wirklich so heiß gegessen wird wie es gekocht wird.

Denn oft erfüllen sich die Prophezeiungen selbst, also stay positive – yolo 😀

Kandoli

Quelle: Sad Sensationalism | Jan Irvam

 

 

 

2 thoughts on “Trauriger Sensationsjournalismus

  1. The_eve_investigator says:

    Ja, traurig das vor allem „Newbies“ auf den Bittervet Zug aufspringen und den Kopf in den Sand stecken anstatt die Sachen entweder selber anzupacken oder sich mal klar zu machen über welche Luxusprobleme da eigentlich gejammert wird.
    Irgendjemand hat es schon sehr gut geschrieben: Erst wurde über die AFK-Cloaker gejammert, dann über die Trollceptoren und morgen über ein anderes Haar in der Suppe.

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