Brennen muss Salem

Es klingt aber auch zu verlockend, und die Actionhelden im Kino machen das auch immer so. Wenn die komplizierte Maschine an Bord des Raumschiffs nicht funktioniert, dann gibt der beherzte Russe ihr einen freundlichen Tritt. Alles geht wieder, das Publikum schmunzelt, und doch wissen alle dass es in der Realität nicht ganz so rund läuft.

Keine Regeln, keine Probleme?

Der NullSec als rechtsfreier Raum, was könnte denn einfacher zu balancen sein? Die naheliegende Vermutung, man müsse im am wenigsten reglementierten Bereich von Eve auch am wenigsten nachjustieren, trifft leider nicht zu. Denn die größtmögliche Freiheit führt zu größtmöglichen Problemen. Alexei Leonidowitsch dachte bei der Entwicklung von Tetris sicher nie über Blue Donuts und Traffic Control nach. Zumindest nicht abseits von Frühstücksgestaltung und Arbeitswegen. Das musste er nicht, weil er eine auf wenige Spielelemente beschränkte Welt baute, mit starren Regeln. Der Treiber für den Aufwand beim Balancing ist also nicht der Umfang der bestehenden Regeln, sondern die Komplexität des Systems. Und die ist ganz ohne Regeln wirklich beachtlich. Was sagt uns das über den NullSec? Spieler tun was möglich ist, je mehr also möglich ist desto mehr Grenzen werden ausgetestet. Und im NullSec ist fast alles möglich. Wenn sich also eine der möglichen Aktivitäten als erfolgreich erweist, wird dieses Tun verstärkt – teils bis zu wahnwitzigen Größenordnungen – mit verheerenden Folgen für die Spielbalance. Das heißt, zu guter Letzt wird so ganz ohne Einhalt innerhalb kürzester Zeit Vorsprünge gegenüber anderen erreicht, die schwer oder teils gar nicht mehr aufzuholen sind.

Leider ist das was für den Einzelnen gut ist nicht immer auch das Beste für die Gemeinschaft. Auch wenn es so schön einfach wäre (Smith irrt).

Also ein Paradebeispiel der Evolution, nur leider erzeugt das keinen Spielspaß im Sandkasten (zumindest nicht für die Verlierer). Also muss geschraubt werden, angepasst, eingeschränkt. Und jeder Schritt tut weh, weil ja die Erfolgreichen ihre Methoden anpassen müssen um den Besitzstand zu wahren, und wer will schon für den Erhalt des Status Quo arbeiten müssen? Da sich aber so nur die Randbedingungen, kaum aber die bestehenden Machtverhältnisse ändern, bleiben die Ausgeschlossenen unzufrieden. Das mündet dann in „burn them all“ Kampagnen, die verlangen alles wegzuwerfen und neu zu machen, was zunächst sicher auch verlockend klingt.

Reinen Tisch machen

Rixx Javis beschreibt eine solche „Lösung“ in seinem Beitrag It is time for Null to Burn. Brennt alles nieder ihr Revolutionäre der digitalen Welt, lasst keinen Stein auf dem anderen. Denn früher war NullSec schön, und heute ist es tot. Früher gab es Blumen zur Begrüßung und kostenlose Exotic Dancer für jeden, und heute gibt es nur the_mittani und wochenlange Structure-Grinds. Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Erstens ist der NullSec besser als sein Ruf. Zweitens: die Mechanismen werden sich nicht ändern, indem die alten Könige gestürzt werden. Wenn aus dem HighSec, von CCP oder sonstwem dafür gesorgt wird das die Powerblöcke sich auflösen (müssen) – dann werden sich innerhalb kürzester Zeit neue bilden. Ganz einfach weil die Regeln es zulassen, und es evolutionär der erfolgversprechendste Weg für eine Gruppe von Spielern ist.

CCP selbst schraubt schon seit einer Weile gedanklich am NullSec. Und erst in diesem Jahr hat die neue Chief Executive Producerin CCP Seagull versprochen sich der wirklich großen Themen im neuen 6-wöchigen Releasemodell wieder anzunehmen, weil erst jetzt große Veränderungen möglich sind die im Halbjahresmodell zu risikobehaftet waren – der Zeitraum für größere Korrekturen war einfach zu lang. Auf Fanfests wurde dann mitgeteilt dass auch das NullSec die verdiente Liebe erhält, auch wenn es vorher noch 1-2 andere Themen zu lösen gibt.

Der Fokus kommender Erweiterungen. Das endgültige Ziel: Spieler bauen Stargates.

Zumindest das Thema „kürzere Releasezyklen bringen größere Änderungen“ muss man nicht so sehen. Denn 6 Wochen unspielbares NullSec sind fatal genug, um die Spieler auf die Barrikaden gehen zu lassen. Um die Korrekturdauer sinnvoll anzupassen, müsste CCP die Releasezyklen auf einen Tag anpassen – kurz gesagt: das Argument hinkt. Aber nichtsdestotrotz: Features des Folge-Releases werden natürlich nicht erst nach dem Vorgänger-Release begonnen, sondern die überlappenden Entwicklungen laufen über Monate. Außerdem verspricht CCP Großes, und bei der Spielerbasis würden sie das nicht tun ohne wenigstens ein bisschen Zuversicht auch Großes abzuliefern.

In weiteren Medien reihen sich Warnungen, Beschwerden und Verbesserungsversprechen aneinander wie die Schnäppchenjäger in der Aldi-Warteschlange, aber die Frage bleibt: ist hier wirklich alles kaputt?

 

Schlecht ist eine Frage der Perspektive

Aus der Sicht der Ameise ist Müll im Wald klasse. Es gibt super bequeme Stellen um sich ein Heim zu errichten, genug zu essen und innerhalb kürzester Zeit einen schönen großen Ameisenstaat, weil alle so gut vom Müll leben können. Und so ist aus der Sicht des Linien-Soldaten NullSec super. Es gibt Ratting, Mining, Corpmates, Flotten. Mal gegen große Gegner, mal gegen kleine. Du magst die Goons nicht? Kein Problem, es gibt ja N3. Jeder findet seinen Spielstil. Wem alles egal ist, und wer es nur knallen lassen will, geht zu HERO und bestaunt das MetaDrama. Kein Sov Warfare, aber trotzdem Bock auf NullSec? Ab in den NPC Space und alles ein bisschen kleiner genießen. Alles in allem eine gesunde Umgebung.

Also zunächst mal zum Problemverständnis: NullSec hat Probleme. Keine Frage. Aber NullSec ist tot? Nein, aus meiner Sicht ein weiterer schwerer Fall von Bittervet-Auskotzen.

Was genau sind die Probleme die gelöst werden müssen? Nun, mögliche Antworten (hier von Innominate) gibt der Blog hier:

  • Capitals (spidertankende Carrier und Supercarrier, Masse sticht)
  • Remote Reparaturen (Masse sticht)
  • Koalitionen (Masse sticht)
  • Sov Kriegsführung (Masse sticht)
  • Einkommensverteilung (Ratten ist langweilig)

Wenn man also das Ausmaß der Probleme realistisch einschätzt (Probleme ja, tot nein), kann man sich mal über die Lösungen dieser Themen Gedanken machen. Und CCP tut das. Schon seit längerem – zugegeben, aber jetzt in 2014 und ff. wird ja alles besser, wie wir gelernt aus dem neuen Releasemodell gelernt haben. Was dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein wird, bis auf „Ratten ist langweilig“ sind die übrigen Themen alles „Masse sticht“ Themen, was heißt – wer mehr PIloten hat, hat mehr Erfolg.

Das ist blöd, denn gefühlt wird jeder kleine Roam geblobbt, jede kleine unabhängige Allianz achtkantig aus dem Sov-Null geworfen und ohne 2:1 Überlegenheit dockt ja eh keiner mehr ab. *armeverschränk* Aber kann dieses Prinzip überhaupt durchbrochen werden? WOLLEN wir das denn? Das plötzlich nicht mehr jene Gruppen erfoglreich sind, die genug Spieler ansprechen um zu wachsen? Wenn auch kein Indikator für Spielspaß, so kann man die Größe der NullSec-Powerblöcke mit – zumindest teilweisem – Erfolg (in dem was sie tun) verbinden. Kleine Gruppen sind nicht ohne Grund klein.

Natürlich sollte Kleinen das NullSec nicht vollständig verwehrt sein, aber das ist es ja auch nicht. Es gibt zwar Powerblöcke im NullSec, aber meiner Erfahrung nach kommt man da mit 50 RL Membern durchaus rein, wenn man sich bemüht und ein paar Wochen / Monate sein Killboard hübsch aufpoliert. Und Gruppen die kleiner 50 Leute sind, können im NullSec imho nur schwer Inhalte generieren. Flotten wären grundsätzlich immer zu klein, Systeme extrem schwer zu verteidigen. Soooo unzugänglich ist das NullSec also nicht, man muss sich eben nur Partner suchen. Ein normales Prinzip bei Aufgaben für die man allein nicht stark genug ist.

Evolutionär längst bewiesen: Partnerschaft macht erfolgreich.

Siehe z.B. den aktuellen PL Newsletter, der beschreibt wie kleine Corps in größere zusammengeschlossen werden um Entscheidungswege zu verkürzen und Transparenz zu erhöhen. Natürlich braucht es dann nur noch einen CEO für vormals drei Corps – schmerzhaft für zwei der nun Ex-CEOs. Das Ego blutet, aber das heißt nicht dass es keine gute Entscheidung ist. Man kann natürlich auch was dagegen haben:

  • Ich will nicht wachsen! Gut, aber dann bist du schlicht zu klein für Sov Null.
  • Ich will mich keinem Powerblock anschließen. Ok, aber allein wirst du es nicht schaffen.
  • Ich hab kein schönes Killboard. Gut, aber was genau willst du dann im Sov NullSec?

Jedoch kann man hier auch anderer Meinung sein, und Wege finden das auch die ganz Kleinen ohne sich zusammenzuschließen ein Stück vom großen NullSec-Kuchen abhaben dürfen. CSM, CCP und EVE Community sind ja ein ideenreiches Völkchen. Allerdings wird die Lösung der NullSec-Herausforderungen mit Sicherheit nichts mit „HighSec aller Regionen, vereinigt euch“ oder mit „Wir werfen alles weg“ zu tun haben. Es wird keine Gordischer-Knoten-Lösungen geben. Einfache Lösungen komplexer Probleme sind oft auch wirklich nur das: einfach, aber deshalb noch lange nicht effektiv. Wer in einem so komplexen System an einer beliebigen Schraube dreht, muss das vorsichtig tun da es wesentlich später unbeabsichtigte Folgen haben kann – gerade in unserem Fall, wo die Spielerschaft sich blitzschnell mit tausenden Mitstreitern auf jede noch so kleine entstandene Gameplay-Lücke stürzt, und bis zum Exzess abklopfen um die eigene Position zu stärken.

In dem Sinne, fröhliches Grübeln über die kleinen und großen Knoten in New Eden,

Kandoli

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